Freitag, 12. Oktober 2012

Bild im Bild und eine volle Ladung Schwarz: Manets Bildnis des Zacharie Astruc

                            

Das 1866 entstandene Bildnis des Malers, Bildhauers und Poeten Zacharie Astruc überrascht mich immer wieder. Auf den ersten Blick ist es vor allem die geballte Ladung Schwarz, die faszinierend ist. Denn sie lässt den Portätierten nicht etwa fahl und blaß erscheinen, sondern unterstreicht seinen Charakter und seine Vitalität.
Astruc betrachtet sein gegenüber sehr selbstsicher mit ruhigem Blick. Zu gern wüsste ich, was wohl hinter der hohen Stirn vor sich geht. Ob er wohl über seine an der Gattung des Porträts entwickelte Rezeptionsästhetik nachsinnt? Er war der Meinung, dass ein Porträt in seiner Unmittelbarkeit überraschen und in Erstaunen versetzen solle...
Seine Kriterien waren vermutlich von der aufkommenden Fotografie und durch die beschleunigte Wahrnehmung aufgrund des modernen Großstadtlebens beeinflusst. In dieser sich zunehmend neuen Welt benötigte die Porträtmalerei neue Reize um auf sich aufmerksam zu machen.
So ist denn auch das Gemälde Manets ein Ausdruck des Dankes für die Fürsprache des Freundes und gleichzeitig eine Hommage an Astrucs Ästhetik. Er überrascht den Betrachter immer wieder aufs Neue: mit der ausschnitthaften Raumregie, der Zweiteilung der Komposition und vor allem der linken Bildhälfte. Blicken wir hier in ein weiteres Zimmer? Einen Spiegel? Oder handelt es sich um ein Gemälde?
Die Antwort liegt in der Imagination des Betrachters, die Kunstgeschichte ist sich uneins darüber. Eindeutig jedoch sind die Verweise auf die für die Impressionisten so prägende wie stilbildende japanische Kunst. Die mit japanischen Titeln versehenen Bücher auf dem Tisch weisen auf Astrucs Vorliebe für die japanische Kunst hin. Gleichzeitig ist der japanische Einfluss auch in der Manier der exzentrischen und uneindeutigen Bildkomposition zu finden.
Neben Verweisen auf Japan ist auch eine Orientierung an klassischen Vorbildern eindeutig: das Motiv der weiblichen Rückenfigur im häuslichen Bereich und die Mehrdeutigkeit der Raummontage legen den Vergleich mit niederländischen Bildern des 17. Jahrhunderts nahe.

Jan Vermeer, Der Liebesbrief, 1669/1670, Öl auf Leinwand, 44 cm × 38,5 cm, Bild via http://gemaeldeonline.wordpress.com.

Gleichzeitig lässt die linke Bildhälfte auch an Tizians „Venus von Urbino“ denken, die Manet in den Uffizien kopiert und bereits in seinem Gemälde der „Olympia“ rezipiert hatte.

Tizian, Venus von Urbino, 1538, Bild via Wikipedia.

Im Gegensatz zu den Bildern der alten Meister legt Manet jedoch keinen Wert auf Feinmalerei und malerische Perfektion bis ins Detail. Vielmehr differenziert er die Malerische Deutlichkeit der Bildgegenstände. So ist der Tisch links sehr genau ausgearbeitet während zum Beispiel Astrucs rechte Hand nur grob angedeutet ist, ein Zustand, der auch als „non finito“ bezeichnet wird und die Farbe als solche aufwertet, ohne sie der Umrisszeichnung unterzuordnen.
Dies ist auch das unglaublich Neue an Manets Bilder: die Befreiung der Farbe, die von der hm nachfolgenden Generation an Impressionisten weitergeführt wird.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende,
eure artomaniak

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen